Die Tochter schläft, und ich flüstere ihm: Komm zurück.

Die Tochter schläft, und ich flüstere ihm: Komm zurück.

Die Geschichte von Inna Borezka aus Schmerynka – über eine Liebe, die den Krieg auf Abstand zum Herzen hält

Als der Krieg begann, wurde ihre Tochter geboren.
Und zwei Jahre später, als es schien, dass die Welt sich etwas an den Schmerz gewöhnt hatte, klopfte es erneut an die Tür – diesmal war es kein Luftalarm, sondern ein Einberufungsbefehl. Am 10. Juni 2024 ging ihr Mann, um die Ukraine zu verteidigen. Sie blieb zurück – um zu warten. Und jeden Morgen, wenn sie ihrer Tochter Brei kocht, sagt sie sich leise: „Das Wichtigste ist, zu glauben, dass er durchhält. Und dass er zurückkehrt.“

Inna lebt in einer kleinen Stadt – Schmerynka, Oblast Winnyzja. Hier kennt jeder jeden, und wenn ein Mann in den Krieg zieht, wird das zur gemeinsamen Geschichte der Straße.
Sie erinnert sich an jenen Tag – die Benachrichtigung kam am Abend. Während sie das Papier in den Händen hielt, schien die Welt stillzustehen: 19:40 Uhr auf der Uhr, das Wasser im Teekessel kochte, und ihre Tochter streckte die Hand aus – „Mama, nimm“. Und da verstand sie – sie muss stark bleiben. Denn wenn sie zerbricht, fällt auch ihre kleine Welt auseinander.

„Wir haben gelernt, ohne ihn zu leben. In jeder Kleinigkeit“, sagt sie. „Statt zwei Tassen Kaffee – eine. Statt einem Abendfilm – die Nachricht ‚am Leben‘. Das reicht, um durchzuatmen.“
Inna sagt, dass das Leben seit Beginn des Krieges ein anderes geworden ist – nicht nur im Alltag, sondern auch im Atmen selbst. Ihre Tochter wurde zu ihrem Anker, zu ihrem Grund, morgens aufzustehen, Borschtsch zu kochen und zu glauben, dass das alles nicht umsonst ist.

Sie engagiert sich nicht offiziell als Freiwillige, betreibt keine Unterstützungsseiten, aber jeder Tag ist ihre kleine Front. Sie hält die Heimatlinie, wo es nach Waschmittel und Kindershampoo riecht, wo man statt „Ich liebe dich“ sagt: „Pass auf dich auf“.

„Ich versuche zu glauben, dass er lebt. Dort, wo Kälte und Erde ist, steht er. Und solange er lebt – lebt auch mein Glaube.“
Das ist ihr tägliches Gebet. Nicht an Gott, sondern an ihr Herz.
Am Abend, wenn ihre Tochter schläft, öffnet Inna ihr Handy – liest alte Nachrichten, lustige Sprachnachrichten, kurze „Gute Nacht, meine“.
Sie sagt, das wertvollste Foto für sie sei das, auf dem sie alle zusammen sind. „Das letzte, auf dem wir zusammen sind. Ohne Schutzweste. Ohne Abschied.“

Sie erlaubt sich nicht, vor dem Kind zu weinen. Aber nachts, wenn es im Haus still ist, lässt sie ein paar Tränen zu. Nicht als Schwäche – sondern als Erinnerung an den, auf den sie wartet.

Für Inna bedeutet der Sieg – Frieden.
Keine Parade, keine Feuerwerke. Einfach nur Frieden, in dem man ohne Angst schlafen kann, die Schritte des Mannes an der Tür hört, sich nicht vor Nachrichtentönen erschreckt.
„Ein freies, unabhängiges, starkes und blühendes Land Ukraine“ – sie spricht diese Worte einfach aus, wie ein Gebet, nicht wie ein politisches Motto. Denn für sie ist die Ukraine der Ort, an dem ihre Tochter zum ersten Mal „Papa“ nicht zum Foto sagt, sondern in einer Umarmung.

Inna Borezka nennt sich selbst keine Heldin. Sie sagt: „Ich bin einfach eine Frau, die wartet.“
Doch genau auf solchen Frauen ruht das Land. Man sieht sie nicht an der Front, aber jede von ihnen ist Rückhalt, Glaube – und eben jenes Herz, das zu Hause schlägt, solange jemand den Himmel hält.

Inna weiß, dass dieser Tag kommen wird.
Er wird durch die Tür treten, sie wird sagen: „Du bist zu Hause.“
Und dann wird sie sich, vielleicht zum ersten Mal seit Jahren, einfach – weinen lassen.

Diese Geschichte ist Teil des Dokumentarprojekts „Herz zu Hause. Gesichter des Krieges“, initiiert von der Ukrainisch-Polnischen Medienplattform (UPMP.News).
Ziel der Initiative ist es, die Gesichter und Stimmen ukrainischer Frauen zu bewahren, die warten, suchen, unterstützen oder ihre Verteidiger verloren haben.

Wir glauben, dass diese Geschichten nicht nur vom Schmerz erzählen, sondern auch vom Licht, das selbst in der Dunkelheit des Krieges nicht verlischt.
Jede Stimme – ist Erinnerung. Jedes Foto – ein Beweis der Liebe.
Jede Frau – ist die Ukraine.

📸 Das Projekt wird umgesetzt, um persönliche Geschichten von der Heimatlinie zu dokumentieren und zu veröffentlichen – als Zeugnis der Unerschütterlichkeit der Herzen, die zu Hause schlagen.